Fakten

Was ist Agrarökologie?

Die Agrarökologie ist ein holistischer Ansatz, der soziale und ökologische Aspekte in die Bewirtschaftung von Land miteinbezieht. Sie ist kein festgelegter Satz von Methoden, sondern eine ganzheitliche Herangehensweise. Das kann zum Beispiel die Nutzung von traditionellem Wissen in Verbindung mit neuer Technologie sein. Die Agrarökologie hat viele Vorteile, wie das Empowerment von den Produzent:innen sowie der freie Zugang zu Wissen. Besonders wichtig sind der Kreislaufgedanke und die Vielfalt. Resilienz entsteht hier durch Diversität. Die Agrarökologie ist laut der UN eine wichtige Strategie, um globale Probleme zu bekämpfen und trägt dazu bei, die SDGs (siehe https://sdgs.un.org/goals) zu erreichen. Durch agrarökologische Maßnahmen kann die Klimaresistenz gefördert werden, es wird mehr Ertrag pro Hektar produziert und sie hat einen positiven Effekt auf die Biodiversität. Sehr wichtig ist auch die agrarökologische kleinbäuerliche Landwirtschaft bei der Armuts- und Arbeitslosigkeitsbekämpfung.

Die Globalisierung am Beispiel von Getreide

Weizen aus Mecklenburg-Vorpommern

Weizen ist eines der wichtigsten global gehandelten Produkte. Der Markt wird dominiert von Agrar-Großhandelsunternehmen wie ADM, Bunge und Cargill (siehe Hauptartikel Weizenexporte aus Mecklenburg-Vorpommern). Die Preise für Weizen hängen von der Börse ab. Die oben genannten Big Player haben eine große Marktmacht und bestimmen den Weizenpreis. Die Produzent:innen sind von den globalen Preisentwicklungen abhängig.

Die Nachfrage nach Weizen ist global angestiegen. Gründe dafür sind unter anderem das Bevölkerungswachstum und der Mangel an eigenen fruchtbaren Böden. Die EU gehört zu den größten Weizenproduzenten und exportiert einen großen Teil der Weizenernte.

Die Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern ist Teil des globalen Marktes und in die europäische Agrarpolitik eingegliedert. Hier in der Region wird viel Getreide und insbesondere Weizen angebaut. Weizen ist eines der wichtigsten Exportgüter: Circa 75-80 % des Weizens wird exportiert. Die Nähe der Betriebe zu den Häfen bietet sich für den Export an. Marktfruchtbetriebe und Getreidehandelsunternehmen haben in dieser Region einen Standortvorteil. Ein anderer Grund für die Exportorientierung in Mecklenburg-Vorpommern sind die fehlenden Verarbeitungsstrukturen vor Ort.

Während über die Hälfte des Getreides in Deutschland insgesamt verfüttert wird, wird Weizen zum Großteil als Lebensmittel exportiert.

Welchen Einfluss haben Weizenimporte auf Länder des Globalen Südens?

Ein großer Teil der Weizenexporte aus der EU insgesamt geht in EU-Drittländer; vor allem in den Mittleren Osten, nach Nordafrika und nach Asien. Je nach Land sind die Auswirkungen des Importes von Weizen unterschiedlich und abhängig von verschiedenen Faktoren. Weizenimporte in den Globalen Süden richten nicht per se Schaden an, haben aber in Subsahara-Staaten einen negativen Einfluss auf die kleinbäuerliche Landwirtschaft. So steht der meist günstigere importierte Weizen in indirekter Konkurrenz zu lokalen Getreidesorten, wie Sorghum und Hirse. Auch werden vermehrt verarbeitete Weizenmehlprodukte importiert, die keine Wertschöpfung in dem Importland, durch zum Beispiel die Verarbeitung in eigenen Mühlen, ermöglichen.

Weltwirtschaftlich macht es Sinn, Getreide aus geografisch näher liegenden und flächenreicheren Ländern zu beziehen, die auf den Gewinn aus Exporten angewiesen sind, um diesen Länder eine ertragreiche Einkommensquelle zu ermöglichen und um die Region insgesamt zu stärken.

Oft jedoch ist das Problem der Zugang zu Nahrung und nicht die vorhandene Masse an Lebensmitteln. Hunger ist ein Verteilungsproblem und kann durch den agrarökologischen Ansatz bekämpft werden. Gerade für Länder des Globalen Südens bietet die Agrarökologie die Möglichkeit zur Ernährungssicherung und wird auch von der FAO als ein wichtiges Instrument in der Erreichung der SDGs eingeordnet.

Getreide als Tierfutter

Es geht nicht nur um den direkten Export von Getreide, sondern auch den indirekten; nämlich über den Export von tierischen Produkten. Über die Hälfte des Getreides in Deutschland wird an Nutztiere verfüttert. Andere Komponenten von Futtermitteln sind unter anderem importiertes Sojaschrot (siehe Soja in Mecklenburg-Vorpommern). Momentan sind veredelte Güter tierischen Ursprungs eine der Hauptexportprodukte im Agrarbereich. Geworben wird mit der hohen Qualität von Fleisch- und Milchprodukten aus Deutschland. Die Versorgung mit Fleisch in Deutschland lag in den letzten Jahren über dem Verzehr. Fast die Hälfte der in Deutschland produzierten Fleischwaren wurden exportiert. (2014-2019) Auch ein großer Teil der Milchwaren wird exportiert. Bei Schweinefleisch liegt Deutschland bei 120 % der Selbstversorgung. Das Produktionssystem ist auf den Export ausgerichtet und wird auch dementsprechend staatlich gefördert. Bei Milchpulverprodukten wird zum Teil auch Palmöl beigemischt, das in anderen Staaten wie Indonesien und Malaysia wiederum für Umweltprobleme sorgt.

In einigen Ländern stehen die Importe auch hier in Konkurrenz zu lokal erzeugten tierischen Produkten. Hinzu kommt, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten wenig Fläche hat. Länder mit mehr Fläche haben oft auch andere Wettbewerbsvorteile, wie zum Beispiel niedrigere Personalkosten. Deutschland bietet bei der Fleischproduktion keinen besonderen geografischen Vorteil. Dazu kommen noch Krankheiten, die einen sehr starken Einfluss auf die Tierhaltung in Deutschland haben, wie die Afrikanische Schweinepest. Nicht zu vergessen ist die zunehmende Sensibilisierung der Gesellschaft gegenüber der jetzigen Form der Tierhaltung.

Deutschland ist aber wirtschaftlich nicht unbedingt auf die Devisen aus dem Agrarhandel insgesamt angewiesen. Andere Exportzweige wie die Autoindustrie sind hier lukrativer. Zudem wird auch Geld in die Produktion und den Export investiert, daher ist der Gewinn insgesamt nicht bedeutend hoch. Aus diesen Gründen ist der Fokus auf eine flächengebundene Milch- und Fleischproduktion sinnvoll sowie eine gleichzeitige Reduktion des Konsums von tierischen Produkten.

Agrarökologie vs. Globalisierung?

Der globale Handel kann sich positiv auf die Ernährungssicherheit auswirken, birgt aber auch Risiken, wie die Abhängigkeit vom Weltmarkt. Die Nachfrage nach hochwertigen, nachhaltig produzierten Gütern kann sich hingegen sehr positiv auf die Wirtschaft und die landwirtschaftliche Entwicklung eines Landes auswirken. Der Agrarhandel sollte auf Resilienz und Nachhaltigkeit ausgerichtet sein.

Der Vorteil einer stärkeren regionalen Wertschöpfung ist die Unabhängigkeit vom Weltmarkt und damit die Resilienz der Region gegenüber Krisen. Gerade für Mecklenburg-Vorpommern gilt, dass die Verarbeitungsstruktur von Getreide sowie von Öl- und Hülsenfrüchten ausgebaut werden müssen. Auch im Bereich Gemüse ist ein großes Wachstumspotenzial vorhanden.

Agrarökologie in Mecklenburg-Vorpommern

Demnach können auch agrarökologische Maßnahmen für Mecklenburg-Vorpommern sinnvoll sein. Das Konzept Agrarökologie ist flexibel anpassbar und kann den Landwirt:innen sowie Verarbeiter:innen hier vor Ort mehr Unabhängigkeit vom Weltmarkt bieten.

Agrarökologische Maßnahmen können auch als Zwischenschritt von konventionell zu Bio angewandt werden. Positiv würde sich auch der diversifizierte Anbau auswirken. Es gäbe mehr Möglichkeiten Eiweißpflanzen für die menschliche Ernährung einzubringen oder auch mehr Gemüse hier anzubauen. Vor allem die intensive Tierhaltung, die stark auf den Export ausgerichtet ist, könnte so abgebaut werden.

Ein Hindernis für die Umsetzung agrarökologischer Maßnahmen ist die Größe der Ackerflächen. Vor allem aber mangelt es in der Region an Verarbeitungsmöglichkeiten. Die Möglichkeiten der Wertschöpfung vor Ort müssen mitwachsen. Positiv kann sich hier die in der Pandemie gewachsene Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln auswirken.

Wenn wir agrarökologische Maßnahmen auch in Mecklenburg-Vorpommern umsetzen wollen, brauchen wir Förderprogramme, die diese Leistungen auch finanziell entlohnen. Am Beispiel Agroforst zeigt sich, dass auch hier schon agrarökologische Maßnahmen durchgeführt und gefördert werden können.

Aus der Veranstaltung „Agrarökologie in M-V – Ziele und Wege“ der Friedrich-Ebert-Stiftung

Bei der Veranstaltung „Agrarökologie in M-V – Ziele und Wege“ der Friedrich-Ebert-Stiftung Mecklenburg-Vorpommern im Juni 2021 wurde die Frage nach Möglichkeiten agrarökologischer Maßnahmen für diese Region heiß diskutiert.

Zunächst wurden einige Hürden für die Agrarwende in M-V festgestellt, zum Beispiel wie schwierig es für landwirtschaftliche Betriebe ist, von dem vorgegebenen Weg abzuweichen. Immer wieder wurde die Wichtigkeit der Stärkung regionaler Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen genannt: Direktvermarktung müsse einfacher gemacht werden für die Landwirtschaft.

Aber auch Forderungen nach der Bindung von Landverpachtung an ökologische Kriterien und an Berufsteinsteiger:innen kamen auf. Auf EU-Ebene wurden immer wieder die Direktzahlungen kritisiert. Stattdessen müssten Ausgleichszahlungen für ökologische Maßnahmen geleistet werden. Besonders wichtig ist der Punkt, agrarökologisches Wissen in der Ausbildung von Landwirt:innen einzubinden. Übereinstimmend mit dem agrarökologischen Konzept wurde auch hier das Mitspracherecht von Landwirt:innen vermehrt gewünscht sowie die Förderung von mittleren und kleinen Betrieben. Insgesamt solle der Fokus mehr auf den Anbau von pflanzlichen Eiweißen und auf Feldfrüchten gelegt werden, die den kommenden klimatischen Veränderungen gewachsen sind: Mehr Resilienz durch Vielfalt. Landwirtschaft und Umweltschutz müssten ganz im Sinne der Agrarökologie zusammen gedacht werden. Teilnehmende bemängelten, dass momentan Anreize für eine klimaverträgliche Moornutzung fehlen. Hindernis sei zudem die momentane Weltmarktorientierung des landwirtschaftlichen Produktionssystems in Deutschland.

Quellen

Bundesverband der deutschen Fleischwarenindustrie e. V.: Fleischversorgung für die Bundesrepublik Deutschland https://www.bvdf.de/in-zahlen/tab-04, letzter Zugriff 15.01.2021.

European Milkboard: Wir sollten unsere Probleme nicht exportierte https://www.europeanmilkboard.org/fileadmin/Subsite/Afrika/Brochure_campagnelait_court_DE.pdf, letzter Zugriff 30.11.2021.

Falsche Versprechen: Die Allianz für eine grüne Revolution in Afrika https://www.fian.de/fileadmin/user_upload/news_bilder/2020/Leere_Versprechen_AGRA_deutsch_20200706_WEB.pdf, letzter Zugriff 30.11.2021.

FAO: FAO`s Work on Agroecology. A pathway to achieving the SDG´s http://www.fao.org/3/I9021EN/i9021en.pdf, letzter Zugriff 30.11.2021.

FAO: The 10 Elements of Agroecology. Guiding the transition to sustainable food und agricultural systems http://www.fao.org/3/I9037EN/i9037en.pdf, letzter Zugriff 30.11.2021.

Hampicke, Ullrich: Kulturlandschaft: Acker, Wiesen, Wälder und ihre Produkte. Ein Lesebuch für Städter. Springer 2018.

Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen: Landwende im Anthropozän. Von der Konkurrenz zur Integration https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/landwende, letzter Zugriff 30.11.2021.

1

Regionale Wertschöpfungsketten

Wir brauchen stärkere Stadt-Land-Verbindungen und ausgebaute regionale Vermarktungskonzepte sowie mehr regionale Verarbeitungs- und Veredlungsmöglichkeiten.

2

Faire Handelsbeziehungen

Wir müssen uns auf europäischer Ebene für gerechte Handelsbeziehungen einsetzen. Auch in unserer Region können wir z. B. durch landwirtschaftliche Partnerschaftsprojekte in den Austausch mit Menschen im Globalen Süden treten und regionale Lösungen vor Ort finden.

3

Transparente Lieferketten

Die gesamte Wertschöpfungskette nachzuvollziehen ist schwierig. Oft kennen die Produzent:innen und Händler:innen nur das nächste Glied in der Kette und haben keinen Einfluss darauf, wo das Produkt am Ende landet. Statistisch ist nicht nachzuvollziehen, wo ein Produkt endkonsumiert wird und welche Produktionsschritte es wo vorher durchlaufen ist.